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Melancholistica - 1

Das Braun der Blätter bedeckte den Weg, denn was war Herbst. Das trockene Laub zerfiel unter meinen Schritten, während ich den Feldweg zum Sporks Pub hinauf lief. Es war bisher der kälteste Tag und ich musste den Kragen meiner schwarzen Lederjacke zu Recht rücken um den Reisverschluss bis zum Kinn ziehen zu können. Mit jedem Atemzug vereiste mir der Wind, die Lunge. Trotz, das ich immer schneller lief, um mich warm zu halten, stand ich nach zehn Minuten halb erfroren vor dem Pub und öffnete die Türe. Ein Schwall aus Rauch und heißer Luft kam mir entgegen und machten mir das Atmen schwer. Es roch nach Alkohol und Zigaretten. Während ich mich nach einem freien Platz oder einem bekannten Gesicht umsah, kam sie auf mich zu. Sie war klein und dünn, mit einem Tablett auf der linken Hand. Ich sah in ihr fragendes Gesicht. Ihre vor Hoffnung weit geöffneten Augen wurden blasser, als ich den Kopf schüttelte. „Du hattest doch gesagt, dass…", sie verstummte als ich ihr meine Hand auf die Schulter legte. Ich zog einen kleinen fleckigen Stoffbeutel aus meiner Jackentasche und gab ihn ihr. „ Was besseres!" ich lächelte sie an und zog meine Jacke aus. „Was ist das?" Gierig öffnete sie den Beutel und betrachtete dann verdutzt den Inhalt. „Rate mal!" Ich hing meine Jacke an eine halb zerfallene Garderobe. „Ist das… ist das Schokolade?" Ich nickte und sagte: „War nicht leicht zu bekommen!" Vor Freude strahlend fiel sie mir in den Arm und lies dabei beinahe das Tablett fallen. Sie zog mich ein Stück zu sich herunter und gab mir einen Kuss auf die Wange. Ich errötete und schaute in ihr hübsches, von kurzen blonden Haaren umrahmtes Gesicht. Ihre kastanienbraunen Augen schauten tief in meine. „Ich sollte mich wieder ums kellnern kümmern." Sagte sie schließlich und ließ von mir ab. Ich schaute ihr einen kurzen Moment nach und ging dann zum Tresen. „ Na? Wie ist es dir ergangen? Kommt die Lieferung noch?" Sprach mich der rundliche Wirt an und schenkte mir ein. „Ja, Charlie hat gesagt, dass es keine Probleme gäbe."

Ich mochte den Wirt. Er ließ mich bei ihm im Obergeschoss wohnen und im Gegenzug machte ich kleine Botengänge für ihn. Die Kellnerin war seine Tochter Ayleen. Sie war sechzehn, sah aber um einiges älter aus. Charlie war ein schmieriger kleiner Mann, der den größten Einfluss in dem Bezirk hatte. Er belieferte den Sporks Pub, verlangte aber immer höhere Preise. Es war kaum noch möglich den Pub am Laufen zu halten. Ayleen und ihr Vater waren so etwas wie eine Familie für mich. Sie nahmen mich vor fünf Jahren auf. Davor lebte ich auf der Straße und schlug mich mit betteln und stehlen durch.

Gedankenverloren starrte ich auf die von Holzwürmern durchlöcherte Holzplatte. „ Er will zehn Prozent mehr." Der Wirt fuhr herum und schaute mir unglaubwürdig in die Augen. „Nur für die Lieferung, die nächste kosten wieder gleich." Er seufzte und fuhr mit seiner Hand über seine Halbglatze. „Das haben wir nicht… wir müssen wohl vorerst Schulden aufnehmen." Ich merkte wie er in Gedanken versank. Durch die immer höheren Preise kamen ohnehin immer weniger in den Pub. Die Zukunft sah nicht gerade rosig aus, unser einziger Trost war, dass es nicht bloß uns so ging. Immer mehr Geschäfte schlossen. Es gab nunmehr noch eine Hand voll Menschen in unserem Bezirk, die sich über Wasser hielten, uns eingeschlossen. Nach dem das Glas vor mir geleert war ging ich die knarrende Treppe zu meinen keinen Zimmer hinauf. Mehr als ein Bett einem kleinen Tisch und einer Kommode hatten darin nicht Platz gefunden. Es war unordentlich und stickig. Ich machte das Dachfenster einen Spalt auf und legte mich aufs Bett um vor mich hin zu dösen.

Als ich morgens aufwachte, hörte ich ein Auto die Feldstraße hinauf fahren. Es konnte nur Charlie sein, denn er war der einzige in unserem Bezirk der eines besaß. Ich zog mich an und ging noch halb verschlafen die Treppe zum Pub hinunter. An der Theke saßen Charlie und der Wirt. „Ich kann Schulden nicht ausstehen!" Hörte ich den kleinen Mann krächzen. „Ich werde es zurück zahlen! Bitte ohne die Lieferung müssen wir in der nächsten Woche dicht machen." Man konnte deutlich Verzweiflung in der Stimme des Wirts hören. „Nur die Starken überleben! Wenn die Zeit kommt, musst du dich ihr beugen!" Sein hämisches Grinsen wurde immer breiter. „Du wirst zu machen müssen! Du hast keine Wahl!" Ich versuchte die Haltung des Wirts zu deuten. Er war rot angelaufen, rot vor Wut? Plötzlich schlug er auf den Tisch und das Glas, an dem Charlie genippt hatte verteilte seinen Inhalt auf dem Tresen. „Sie sind hier nicht länger erwünscht!" Der Wirt stand jetzt aufrecht vor Charlie, die eine Hand an seinem Kragen und die andere auf die Tür gedeutet!" „Nicht unhöflich werden! Sie haben meinen Drink verschüttet!" Das Grinsen wich aus seinem Gesicht und seine Finger fuhren in die Manteltasche. Charlie zog einen blank polierten Revolver und presste ihn an die Schläfe des Wirts. „Für mich seid ihr nichts als Ratten, die sich an dem Dreck meines Bezirks laben!" Die nächsten Sekunden waren still. Ich hatte mich in eine dunkle Ecke zurück gezogen und verfolgte alles. Der Wirt lockerte seinen Griff und ging zwei Schritte zurück. „Wenn ihr in der Gosse lebt, hol ich mir als erstes deine Tochter! Junges Blut, verkauft sich gut!" Er schaute den Wirt verächtlich an und spuckte vor seine Füße. Charlie verdiente sein Geld, damit Frauen und Kinder aus den Straßen auf zu sammeln. Er lockte sie mit leeren Versprechungen und verkaufte sie an Bordelle in den höher gelegenen Bezirken. Da konnte ich die Reaktion des Wirtes gut nachvollziehen, als er eine Flasche nahm und ihm damit den Unterkiefer brach. Winselnd rollte Charlie auf dem Boden und hielt sich sein schmerzverzerrtes Gesicht. Ich wollte aus meiner Deckung heraus um zu sehen wie der kleine, blutende Mann zur Eingangstür hinauskroch, doch plötzlich wurde die Tür aus ihren Angeln gerissen und drei von Charlies Leibeigenen stürmten herein. Den Rest nahm ich nur noch schleierhaft wahr und mir war die Situation erst wieder bewusst als Charlie und seine Männer verschwunden waren und der Wirt mit dem Kopf in seinem besten Brandweines und einer Lache seines eigenen Blutes lag.



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